Auf ein Wort (September-November 2022)

Kaum ein Buch ist so bekannt wie das letzte der biblischen Bücher: die Apokalypse. Die starken und geheimnisvollen Bilder haben seit eh und je den Menschen Schrecken eingejagt, so als wäre es ein Geheimbuch für wenige Eingeweihte, die Beschreibung einer düsteren Zukunft, die prophetische Vorhersage vom Weltende. Nicht umsonst verbindet man in unserem Sprachgebrauch etwas Negatives, eine Katastrophe, ein Unglücks-Szenario, wenn man von „apokalyptischen Ereignissen“ spricht. Wie ist aber dieses „Buch mit sieben Siegeln“ zu verstehen, und was hat es in unserer heutigen Zeit zu sagen, wo Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Klima-Wandel die Fragen aufwerfen, was noch auf uns zukommt und woran wir noch festhalten können? Geschrieben wurde die „Offenbarung des Johannes“ in einer Zeit der großen Bedrängnis. In der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert waren viele christliche Gemeinden in Kleinasien durch Irrlehren innerlich gespalten. Andererseits mussten Gemeindemitglieder für ihre Glaubensfestigkeit durch Verfolgung von außen sterben. Die Menschen fragten sich, wohin das alles führen sollte und sehnten sich nach dem Ende der Unterdrückung durch den heidnischen Kaiser. Durch den Seher Johannes, verbannt auf der Insel Patmos, gibt Gott eine Antwort und verkündet den bedrängten Christen seine Güte. Die uns so fremd erscheinenden Bilder und Gleichnisse sind den damaligen Christen aus dem Alten Testament vertraut, zum Beispiel aus dem Buch „Daniel“, das schon als Trostbuch für das bedrängte Volk Israel bestimmt war. Die anschauliche Schilderung einer dunklen, bedrohlichen Lage soll nicht beängstigen, sondern den bedrängten Menschen die Hoffnung erschließen, dass alles ein gutes Ende nimmt und dass Gott siegreich sein wird. So heißt es im 21. Kapitel: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein“. Gott wird mit uns sein! Diese Vision – nicht die Schreckensbilder – ist der eigentliche Inhalt der Apokalypse. Es sind große Zukunftsverheißungen, die uns Mut machen wollen, in der Gegenwart, auch in Zeiten der Bedrängnis, die Hoffnung nicht zu verlieren. Bedrängte und Unterdrückte sollen wissen, dass ihr Leiden von Gott nicht übersehen wird: „…und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein… Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“. Diese wundervolle Verheißung hat die Zeiten überdauert und gilt auch uns heute in den Zeiten der Bedrängnis. Und wenn die „Herren“ der Welt meinen, Krieg, Zerstörung und Leid vorantreiben zu müssen, so lassen wir sie wissen: Gott hat die Geschicke seiner Welt nicht aus den Händen gegeben. Gott regiert und kommt trotz aller Katastrophen zu seinem Ziel. So können wir uns Gott anvertrauen und trotzig und getrost bekennen, wie Gustav Heinemann 1950 gesagt hat: „Lasst uns der Welt antworten, wenn sie uns furchtsam machen will: Eure Herren gehen, unser Herr aber kommt!“

Es grüßt Sie Ihre Pfarrerin Roseli Arendt-Wolff