Liebe Gemeindeglieder!
Selten im Jahr sieht der Altarraum so einladend aus wie am ersten Sonntag im Oktober, wenn in unseren Gemeinden das Erntedank-Fest gefeiert wird. Obst und Gemüse in leuchtenden Farben sind da zu sehen, dazu Getreide, Brot und Wein. Wer es beim alltäglichen Einkauf nicht mehr bewusst wahrnimmt, bekommt es hier ganz deutlich vor Augen geführt: Wir leben in einem reichen Land, an Nahrungsmitteln ist kein Mangel. Das Erntedank-Fest hebt diese Fülle aus eben dieser alltäglichen Selbstverständlichkeit und nimmt sie zum Anlass zu feiern und zu danken. Auch wenn heute mit erheblicher technischer Unterstützung gearbeitet wird (ich denke z.B. an die großen Landmaschinen), letztlich bleibt das Gedeihen und Reifen der Früchte und Tiere buchstäblich in der Natur verwurzelt. In einer Natur, die Christen als Gottes gute Schöpfung wahrnehmen. Die sie bebauen und bewahren können, aber niemals ganz in der Hand haben – so wie in diesem Sommer zum Beispiel: da hat die Getreideernte wegen des häufigen Regens viel länger gedauert als in anderen Jahren. Die geernteten Mengen haben darunter weniger gelitten, dafür aber an manchen Orten die Qualität des Getreides. Seinen besonderen Stellenwert hat das Erntedankfest natürlich aus Zeiten und Kulturen, die die Auswirkungen einer guten oder schlechten Ernte unmittelbar erfahren haben. Wenn im Herbst keine ausreichenden Vorräte eingelagert werden konnten, stand ein harter Winter bevor: Entbehrungen, Hunger, Krankheiten waren die Folge.
Seit dem 3. Jahrhundert feiern Christen deshalb, wenn durch die Früchte des Bodens das Auskommen der Gemeinschaft gesichert ist. Erntedank feiert den „Segen eines gedeckten Tisches“. Diesen Segen hat Gott den Überlebenden der Sintflut, Noah und seiner Familie, den Tieren der Arche und all ihren Nachkommen zugesagt: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Das bleibt seither eine Gewissheit im Glauben, aber keine Selbstverständlichkeit.
Ihr Sebastian Beutel