Liebe Leser,
„Missverständnisse“
Geh aus, mein Herz, und suche Freud, so beginnt eines der bekanntesten Sommerlieder aus unserem Evangelischen Gesangbuch. Das Lied stammt von Paul Gerhardt, der u.a Pfarrer in Berlin war. Geh aus, mein Herz …., – das geht doch gar nicht! – so mag der mitdenkende Zeitgenosse da sagen: Wie sollte ein Herz denn „ausgehen“? Wer so denkt, hat natürlich recht. Letztlich beruht das aber nur auf einem Missverständnis: Denn Paul Gerhardt redet nicht sich und sein Herz an. „Mein Herz“ – das war der Kosename für seine Frau Anna Maria. Er hat diesen Text also nicht für ein Lieder- oder Gesangbuch geschrieben, sondern es war zunächst ein Gedicht für seine Frau. Die hatte – so wird berichtet – kurze Zeit zuvor eine Fehlgeburt erlitten. Und Paul Gerhardt versucht, sie mit seinen Möglichkeiten nun wieder zu ermutigen, sich dem Leben zuzuwenden: Geh aus, mein Herz, und suche Freud‘ in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben. Und in den nachfolgenden Versen schildert Paul Gerhardt, was er in der Natur entdeckt. Für mich ist dieses Lied eine wunderbare Einladung, die Natur mit wachen Sinnen wahrzunehmen – und das nicht nur nach Schicksalsschlägen wie dem, den Paul Gerhardts Frau erlitten hat. Es ist eine Einladung am Beginn der Sommerzeit: eine Einladung für die, die sich auf Reisen machen und Neues entdecken werden in der Ferien- und Urlaubszeit. Eine Einladung aber auch für die, die zu Hause bleiben, denn auch bei uns ist die Schönheit der Natur und des Sommers zu entdecken. Und vielleicht können Sie und ich dann auch in das Lob einstimmen, das Paul Gerhardt in seinem Gedicht so formuliert hat: Ich selber kann und mag nicht ruhn, des großen Gottes großes Tun erweckt mir alle Sinnen ….
Übrigens: in den nächsten Gottesdiensten werden wir des Öfteren von diesem wunderbaren Lied singen.
Ihr Sebastian Beutel