Gedanken zum Monatsspruch für September 2024: „Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? (Jer 23,23)
Liebe Leserinnen und Leser!
Wie kann jemand nah und fern sein? Und das womöglich zugleich? Ich denke an meine Eltern, die inzwischen gestorben sind. Manchmal erinnere ich mich an sie und dann ist es so, als wären sie da, als wären sie nie weg gewesen. Zum Beispiel, wenn ich mich in einer Situation frage: „Was hätte meine Mutter jetzt dazu gesagt?“ Geliebte Menschen bleiben in der Erinnerung lebendig durch das, was wir mit ihnen erlebt, was wir mit auf den Weg bekommen haben. Und dadurch sind sie uns nah. Wie aber ist es mit Gott, den ich auch weder sehen noch anfassen kann? Wie kommt er mir nah? So, dass ich mich an ihn erinnern kann und er spürbar bleibt, auch, wenn er fern ist? Manche Menschen erzählen von spektakulären Gotteserfahrungen. So etwas hat es in meinem Leben nicht gegeben. Aber Gott war immer da. Ob in der alten, schon leicht zerfledderten Bilderbibel meiner Mutter mit den wunderbaren schwarz-weißen Zeichnungen. Ob im ernsten und feierlichen Gottesdienst in der Gemeinde seit Kindertagen. Ob bei den überraschenden Erkenntnissen während meines Theologiestudiums. Ob im Gebet meiner Mutter oder meinem eigenen Gebet in kritischen Situationen meines Lebens. So selbstverständlich wie die Eltern war auch Gott da. Ist er immer gewesen. Unspektakulär, meistens leise und ohne Aufsehen, und doch konstant, als hätte ich eine Verbindung zu ihm aufgebaut, wie bei einem Funknetz. Freilich kann es da schon mal passieren, dass man mal in ein „Funkloch“ fällt und ihn eine Zeitlang nicht erreichen kann. Und doch – sobald ich seine Abwesenheit spüre und beklagen will, ist er erstaunlicherweise wieder da. Im stillen Gebet und im Gedanken an Gott spüre ich wieder das „Netz“, und ich weiß, dass ich nicht tiefer fallen kann. So habe ich seit Kindertagen ein Urvertrauen zu Gott aufgebaut als jemand, der einfach da ist. Ich kann mich an Gott wenden – ob ich mich freue oder nicht mehr weiterweiß. Und wenn ich frage: „Was würde Jesus dazu sagen?“ – dann weiß ich, dass ich ihm vertrauen kann und er mir den richtigen Weg weisen wird. Durch Rituale können wir Gott einen Raum in unserem Leben geben. Durch das Lesen in der Bibel und das Nachdenken darüber. Aber auch im Gespräch mit anderen Menschen, in der Familie, in der Gemeinde, im Gottesdienst. Auch im Urlaub in den Sommermonaten kann ich Gottes Nähe spüren. Wenn ich eine wunderbare Landschaft sehe oder einfach still am Strand sitze und die Wellen beobachte. Manchmal spüre ich ganz unerwartet seine Nähe. Vielleicht aber auch gar nicht. Dann will ich einüben zu vertrauen: Selbst, wenn Gott fern ist, kann er doch da sein, mir nah. Eine wunderbare Urlaubszeit wünsche ich Ihnen und ganz viele Erfahrungen der Nähe Gottes.
Ihre Pfarrerin R. Arendt-Wolff