Gut sein
Sind Sie ein guter Mensch? Oder ein „Gutmensch“ – also jemand, der angeblich übertrieben Gutes tut, um dafür öffentlich Anerkennung zu bekommen? Jemand mit „Helfersyndrom“, der nur seine eigenen moralischen Ansichten gelten lässt und andere missionieren möchte? Jemand, der vollkommen naiv an das Gute glaubt und deshalb weltfremd ist? Ich selbst tue gerne Gutes, finde mich aber nicht übertrieben dabei. Sowieso schaffe ich es nicht immer, so gut und selbstlos zu sein, wie ich es gerne wäre. Dabei bin ich selbst auf Güte angewiesen. Dass man mir meine Fehler vergibt, dass man mich liebt trotz all meiner Verfehlungen, dass man mir eine zweite Chance gibt. Wie gut tun da die Worte aus Jer 31,3: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. „Je und je“, das heißt: schon immer, immer noch und auch weiterhin. Aus lauter Güte! Wer kann so lieben? Gott liebt so. Er liebt seine Menschen, obwohl sie ganz und gar nicht ohne Fehl und Tadel sind. Jesus erzählt von dieser Liebe, zum Beispiel von dem verlorengegangenen Sohn. Der geht eigene Wege, verlässt den Vater, vergisst, solange es ihm gut geht, seine gute Kinderstube. Im Elend aber wagt er sich zurück. Er hofft noch nicht mal auf Vergebung, sondern nur auf ein Leben als Knecht unter anderen Knechten, in der Nähe des Vaters, dessen Liebe er verspielt hat. Doch der Vater hat in all den Jahren nicht aufgehört, ihn zu lieben. Er sieht das Elend seines Sohnes und zieht ihn zärtlich an sich. Er richtet ihn wieder auf. Er macht ein Fest daraus und sagt: Ich habe dich je und je geliebt… Wenn mich das Leben durch Irrwege führt und ich mir meiner selbst nicht mehr sicher bin … wenn ich den Drang verspüre, mich von Gott abzuwenden … wenn ich bei meinem Tun viel zu sehr an mich selbst denke … wenn ich vor einem Scherbenhaufen stehe und mich gottverlassen fühle – dann sehne ich mich nach diesen Worten: Ich habe dich je und je geliebt… Weihnachten steht vor der Tür. Zeit, Gutes zu tun. Zeit, sich auf das Fest zu freuen, das Gott für uns vorbereitet. Zeit, umzukehren. Gott wartet auf uns, uns das zu sagen: Von Ewigkeit her liebe ich dich, ich habe dich errettet durch Jesus Christus. Aus lauter Güte. Nichts sonst. Das gibt mir die Kraft, selbst gut zu sein: Zu mir selbst und zu den anderen, denn das ist das, was die Welt gerade braucht. Dass die Menschen gut zueinander sind. Und gütig. Und wenn man dabei übertreibt, ist das auch nicht weiter schlimm.
Eine gute Herbst- und Vorweihnachtszeit wünscht Ihre Pfarrerin R. Arendt-Wolff